Geistlicher Impuls
Wenn das Licht sich wendet
Liebe Gemeinde,
wenn der Sommer seinen Höhepunkt erreicht, wenn die Natur in voller Kraft steht, das Gras hoch und sattgrün ist, die Felder goldgelb werden und die Tage am längsten sind – dann feiern wir das Fest Johannes des Täufers am 24. Juni. Immer weniger Menschen kennen diesen besonderen Tag mitten im Jahr. Und doch ist er ein Tag von tiefer Bedeutung und in vielen Gemeinden ein Festtag.
„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh. 3,30) – mit diesen Worten beschreibt Johannes der Täufer seine Rolle und Bedeutung im Hinblick auf die beginnende Wirkungs- zeit von Jesus Christus. Und genauso vollzieht sich auch im Lauf der Schöpfung ein leises Wunder: Nach der Sommersonnenwende beginnen die Tage wieder kürzer zu werden.
Das Licht verliert täglich ein klein wenig an Raum – kaum merklich, aber beständig. Und wir lesen diese Wandlung wie ein Gleichnis der Zeit unseres Lebens. Als Johannes seinen Satz sagt, steht er genau auf dem Höhepunkt der Zeit: zwischen Zunehmen und Abnehmen, zwischen heller Fülle und langsamem Rückzug. Er ist Wegbereiter, nicht das Ziel – ein Prophet, der auf Christus zeigt und sich selbst zurücknimmt. Im Moment der vollsten Lebenskraft erinnert er uns daran, dass wahres Leben darin besteht, Raum für Gott zu schaffen – nicht uns selbst ins Zentrum zu stellen, sondern auf den zu deuten, der das wahre Licht ist.
Das Johannisfest will uns ermutigen, auf unser eigenes Leben zu schauen: Was wächst an Bedeutung in mir – und was darf abnehmen? Wo weise ich andere auf Jesus Christus hin? Und wie kann ich den Weg für ihn bereiten – in meiner Familie, meiner Gemeinde, in dieser Welt?
Gerade jetzt, wo alles draußen grünt und blüht, sind wir eingeladen, nicht nur die äußere Fülle zu genießen, sondern auch unsere Endlichkeit und das Ziel unseres Lebens im Blick zu haben.
Mögen wir die Stimme von Johannes hören als Rufender, als Mahnender, als Hoffender – und als Bruder auf dem Weg zu Christus, dem Licht des Lebens.
Mit herzlichen Segensgrüßen
Ihre Pfarrerin Susann Donner