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Geistlicher Impuls

Meister von Mérode
Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria
Foto: wikipedia.org

Es ist Advent.
„Jingle, bells! Jingle, bells!“ tönt es aus dem Lautsprecher an mein Ohr. Wird es damit Weihnachten?
In der Werkstatt von Robert Campin in Tornai (heute Belgien) entsteht um 1430 ein Gemälde, genauer ein Triptychon. Das Mittelbild ziert unseren Gemeindebrief. Es erzählt uns davon, wie Weihnachten wird.

Wir sehen Maria in einem Haus, das so gar nicht den Häusern in Nazareth in Judäa gleicht. Eher sind wir in einem bürgerlichen Wohnraum, wie ihn Stifter und Maler des Werks damals kannten.
Maria sitzt auf der Fußleiste der Holzbank und liest. Tief versunken ist sie in ihre Lektüre, als mitten in diese Alltagsszene ein Engel hereinbricht, ein göttlicher Bote, eine Verbindung zwischen Himmel und Erde.
Maria schaut den Engel nicht an. Hat sie ihn noch gar nicht bemerkt oder spricht der göttliche Bote durch das Buch zu ihr?

Was der Engel Maria sagt, hat der Künstler ins Bild eingeflochten: auf einem kaum merklichen Lichtstrahl kommt durch das erste der runden Fenster bäuchlings das Christuskind gerutscht. Die Richtung ist klar: vom
Himmel zur Erde, direkt in Marias Ohr. Maria empfängt Christus durch das Hören.

Dabei war Maria doch Jüdin, so wie auch Jesus Jude war. Doch die Malerwerkstatt von Tornai deutet das Geschehen im Kontext des christlichen Glaubens. Maria kommt auf diese Weise dem bürgerlich-christlichen Le- ben ganz nah. Das ist nicht nur gut, denn die jüdische Herkunft darf für echtes Verstehen nicht verschleiert werden. Doch als Evangelische verstehen wir diese Botschaft gut: Der Glaube kommt aus dem Hören.
Weihnachten wird, wenn Menschen ihre Ohren für die Botschaft von Jesus Christus öffnen und sie in sich hineinlassen. So kommt der Himmel zur Erde.

Tatsächlich scheint Weihnachten keine schnelle Sache zu sein. Die Verkündigung wird im liturgischen Kalender neun Monate vor Weihnachten gefeiert (25.03.). Die Botschaft von Weihnachten braucht Zeit, um sich zu entfalten, um zu wachsen, um verstanden zu werden. Der große Gott will bei den Menschen sein. Er macht sich klein, so klein, dass er in ein winziges, menschliches Ohr passt und dann hoffentlich auch den Weg zum Herzen findet.

Ich wünsche Ihnen und Euch allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit,
Susann Donner
Pfarrerin