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Aktuelles aus den Gemeinden

Liebe Leserinnen und Leser der Kirchennachrichten,

Ich, der HERR, sage: Ich bin nicht nur der Gott in eurer Nähe, sondern auch der ferne Gott, über den ihr nicht verfügt. Jeremia 23,23 (Monatsvers Sept.)
„Wann bist du eigentlich lieb, lieber Gott“, fragt Wolfgang Borchert in seinem Theaterstück „Draußen vor der Tür“. Es ist eine verzweifelte Frage, die nicht so recht in den Sonnenschein und die sommerliche Fülle passen will, die uns in diesem Jahr wieder so reichlich umgeben. Noch blühen die Blumen in Spätsommerpracht, noch erzählen viele von den wunderbaren Erfahrungen der Urlaubsreisen. War da nicht Gott oft so nah? War er nicht ein liebender Begleiter auf den Wegen? Wie soll man da hören, lesen, ertragen, dass dieser Gott nicht lieb sei, nicht verfügbar. Dass er nicht nach unseren Wünschen funktioniert. Es wäre doch so schön, wenn er unsere Wünsche wirklich einfach erfüllen würde.
Und er tut es nicht. Gott funktioniert nicht. Es ist nah und er ist fern. Und manchmal ist beides unerträglich. Er ist anders, unverfügbar – und dennoch da. Nicht einfach nur der liebe Gott, dem wir auf die Schulter klopfen und sagen: Mach mal. Und wenn man ihn nicht mehr braucht, dann kann er getrost in irgendeiner Schublade warten. Wäre Gott dann wirklich noch Gott? Würde es sich dann überhaupt lohnen, sich mit dem Glauben zu befassen? Käme man dann nicht wirklich – wie man in der DDR oft behauptet hat – irgendwann an die Grenze der Fragen und Gott wäre schlicht überflüssig?
Die Erfahrung Gottes, der nicht nach meinen Wünschen funktioniert, gehört vielleicht zu den wichtigsten im Leben. Sie ist nicht einfach. Sie stellt alles, worauf Menschen bauen, auf eine harte Probe. Ohne Zweifel und ohne Erschütterungen des Glaubens gibt es keinen Glauben. Und, ja, man kann daran auch verzweifeln. Einfach ist das Leben mit einem Gott, der nah und fern ist, nicht. Aber das Einlassen auf diese Fremdheit öffnet eine neue Tür im Leben. Glauben kann sich darin weiten und tiefer greifen. Es führt den Menschen unweigerlich zu der Erkenntnis, wer er wirklich ist. Und es stellt die Frage danach, wer er im Angesicht dieses Gottes werden kann. Wer bin ich? Was ist in mir noch alles verborgen? Wenn Gott mehr ist als ein Wunscherfüller: Wie hat er wohl dann den Menschen gewollt? Wie hat er mich geträumt? „Höre nicht auf, mich zu träumen, Gott“, bittet Dorothee Sölle.
Der Herbst als Zeit der Ernte öffnet auch den Blick über Grenzen hinaus. Eigene Grenzen und Begrenzungen, eigene Fehler und Fähigkeiten, eigenes Glück und eigenes Leid ist nicht alles, was es über das Leben, mein Leben zu sagen gibt. Immer bleibt ein Mehr, dass sich zu entdecken lohnt. Wann ist Gott lieb? In einem banalen Sinn wohl nie. Aber er bleibt in Nähe und Ferne ein liebender Gott.

Ihre Pfarrerin Bettine Reichelt

Liebe Leserinnen und Leser der Kirchennachrichten,

Ich, der HERR, sage: Ich bin nicht nur der Gott in eurer Nähe, sondern auch der ferne Gott, über den ihr nicht verfügt. Jeremia 23,23 (Monatsvers Sept.)
„Wann bist du eigentlich lieb, lieber Gott“, fragt Wolfgang Borchert in seinem Theaterstück „Draußen vor der Tür“. Es ist eine verzweifelte Frage, die nicht so recht in den Sonnenschein und die sommerliche Fülle passen will, die uns in diesem Jahr wieder so reichlich umgeben. Noch blühen die Blumen in Spätsommerpracht, noch erzählen viele von den wunderbaren Erfahrungen der Urlaubsreisen. War da nicht Gott oft so nah? War er nicht ein liebender Begleiter auf den Wegen? Wie soll man da hören, lesen, ertragen, dass dieser Gott nicht lieb sei, nicht verfügbar. Dass er nicht nach unseren Wünschen funktioniert. Es wäre doch so schön, wenn er unsere Wünsche wirklich einfach erfüllen würde.
Und er tut es nicht. Gott funktioniert nicht. Es ist nah und er ist fern. Und manchmal ist beides unerträglich. Er ist anders, unverfügbar – und dennoch da. Nicht einfach nur der liebe Gott, dem wir auf die Schulter klopfen und sagen: Mach mal. Und wenn man ihn nicht mehr braucht, dann kann er getrost in irgendeiner Schublade warten. Wäre Gott dann wirklich noch Gott? Würde es sich dann überhaupt lohnen, sich mit dem Glauben zu befassen? Käme man dann nicht wirklich – wie man in der DDR oft behauptet hat – irgendwann an die Grenze der Fragen und Gott wäre schlicht überflüssig?
Die Erfahrung Gottes, der nicht nach meinen Wünschen funktioniert, gehört vielleicht zu den wichtigsten im Leben. Sie ist nicht einfach. Sie stellt alles, worauf Menschen bauen, auf eine harte Probe. Ohne Zweifel und ohne Erschütterungen des Glaubens gibt es keinen Glauben. Und, ja, man kann daran auch verzweifeln. Einfach ist das Leben mit einem Gott, der nah und fern ist, nicht. Aber das Einlassen auf diese Fremdheit öffnet eine neue Tür im Leben. Glauben kann sich darin weiten und tiefer greifen. Es führt den Menschen unweigerlich zu der Erkenntnis, wer er wirklich ist. Und es stellt die Frage danach, wer er im Angesicht dieses Gottes werden kann. Wer bin ich? Was ist in mir noch alles verborgen? Wenn Gott mehr ist als ein Wunscherfüller: Wie hat er wohl dann den Menschen gewollt? Wie hat er mich geträumt? „Höre nicht auf, mich zu träumen, Gott“, bittet Dorothee Sölle.
Der Herbst als Zeit der Ernte öffnet auch den Blick über Grenzen hinaus. Eigene Grenzen und Begrenzungen, eigene Fehler und Fähigkeiten, eigenes Glück und eigenes Leid ist nicht alles, was es über das Leben, mein Leben zu sagen gibt. Immer bleibt ein Mehr, dass sich zu entdecken lohnt. Wann ist Gott lieb? In einem banalen Sinn wohl nie. Aber er bleibt in Nähe und Ferne ein liebender Gott.

Ihre Pfarrerin Bettine Reichelt